Berlin: Journalismus Workshop in Afghanistan

7. September 2015

Prof. Dr. Markus Ziener, Journalismus-Dozent an der Media University Berlin, unterrichtet diese Woche in Afghanistan. Hier berichtet er von seinem Workshop in Kabul. 

Investigativer Journalismus in Afghanistan? Mancher mag sich die Augen reiben, wenn er den Titel dieses Workshops liest. Ist diese Art des Berichtens denn so wichtig in einem Land, das gerade wieder durch Terroranschläge, Entführungen und einem Machtkampf bei den Taliban für Aufsehen sorgt – und das gerade einige Monate, nachdem sich der Großteil der ausländischen Truppen vom Hindukusch verabschiedet hat? Die Antwort ist schlicht und knapp: Ja, uneingeschränkt: Ja. Denn gerade weil das Land an einer politischen Wegscheide steht muss es sich bewahren, was es mühsam erkämpft hat. Eine Leistung der vergangenen Jahre ist die Meinungs- und Pressefreiheit. Und ob die auch ohne ausländischen Schutzschirm funktioniert lässt sich daran ablesen, ob kritische Berichte veröffentlicht werden können.

 

17 Frauen und Männer sind in dieser Woche extra nach Kabul gekommen, um an eben einem solchen Workshop zum investigativen Journalismus teilzunehmen. Ausgerichtet wird er von der Mediothek, einer deutsch-afghanischen NGO, die schon während des Bürgerkriegs in den 90er Jahren versuchte, Bücher und Medien zu sichern. Die Taliban, die 1996 an die Macht in Kabul gekommen waren, ließen seinerzeit Bücher verbrennen, wie im Grunde alles, was mit Medien und damit auch mit Bildung zu tun hatte. Afghanen, die eine Bibliothek hatten, mussten ihre Bücher, Fernseher und Radios abgeben – oder aber verstecken. Die Initiatoren der Mediothek halfen dabei, wenigstens einen Teil zu schützen – für die Zeit nach den Taliban. Diese kam 2001 nach den Terroranschlägen in New York und Washington als der von den USA angeführte Einmarsch den Regimewechsel brachte.

 

Die meisten der jüngeren Teilnehmer an diesem Workshop haben diese Zeiten noch nicht bewusst selbst erlebt. Aber sie wissen von Eltern und Familie von den Gefahren, die bei einer Rückkehr der Taliban oder einer anderen radikalen Gruppierung an die Macht drohen. Und sie wissen, dass das neue Afghanistan nur dann eine Chance hat, wenn die Menschen erfahren, dass es gut ist, wenn Missstände aufgedeckt und öffentlich gemacht werden. Also kommen die Print-, Fernseh- und Radioreporter sowie zwei Onliner aus allen Himmelsrichtungen nach Kabul. Aus Herat im Westen des Landes, aus Khost im Osten, mehrere aus Kunduz im Norden und damit dort, wo bis Oktober 2013 deutsche Soldaten stationiert waren, und natürlich aus der Hauptstadt Kabul. Sie wollen weiter engagiert berichten, auch wenn die Umstände derzeit schwieriger werden.

 

“Was mache ich mit sensiblen Informationen, die ich zugespielt bekomme?”, “Wie gehe ich mit Material um, für das der Informant Geld haben will?”, “Muss ich immer die Verdächtigen in meiner Geschichte vor Veröffentlichung mit meinen Informationen konfrontieren?” und “Wie kann ich meine Quellen schützen?”. Das sind einige der Fragen, die die Teilnehmer zu Beginn des Workshops stellen. Afghanistan erhält jedes Jahr viele Milliarden ausländische Hilfe, das Budget des Landes ist massiv von diesen Leistungen abhängig. Doch dort, wo viel Geld fließt, wird Geld auch leicht veruntreut, missbraucht oder es landet gar in schwarzen Kassen, die für Korruption verwendet werden. Für den investigativen Journalisten ist das ein ergiebiges Feld – aber zumindest in Afghanistan auch ein hochgradig gefährliches. Als wir darüber reden wird die Diskussion sehr lebendig – und sehr persönlich. Denn jeder der Teilnehmer hat schon Erfahrungen gemacht, wie brisant es sein kann, über sensible Informationen zu verfügen.

 

Wie man an eine investigative Story kommt? Nicht nur über die Informationen von Whistleblowern à la Edward Snowden. Sondern auch durch richtiges Fragen. Das also wird in den nächsten Tagen geübt – und nicht nur theoretisch. Eingeladen wurden Mitglieder des afghanischen Parlaments und einer Menschenrechtsorganisation. Sie sollen jetzt befragt werden – oder besser – richtig „gegrillt“.