Die etwas andere Art der Zielgruppendefinition
Eigentlich wäre es eine gewöhnliche Vorlesung in einem gewöhnlichen Semester an der Media University Frankfurt. Und dennoch sitzt der leitende Geschäftsführer des SINUS-Instituts Manfred Tautscher zugeschaltet aus seinem Büro in Wien und stellt seine Zeit und sein Wissen in einer Wirtschaftspsychologie-Vorlesung zur Verfügung. Zentrales Thema des Gastvortrages: Konsequenzen des gesellschaftlichen Wandels für die Konsumforschung.
Seit 1985 ist Tautscher in der Marktforschung tätig. Er selbst vertritt die Ansicht, dass man Zielgruppen nicht so einfach kategorisieren kann, wie es gegenwärtig oft gemacht wird. Die üblichen Raster demografischer Einteilungen ignorieren, dass sich Angehörige einer Generation eben doch stark unterscheiden. Prinz Charles und Meat Loaf? Zwei Männer eines Jahrgangs. Aber eben doch sehr unterschiedlich.
Ein Umstand, auf den das SINUS-Institut hohen Wert legt. Denn um Menschen zu erreichen und zu wissen, was diese bewegt, muss man diese erst einmal verstehen. Es reicht nicht, nur die Demografie zu betrachten. Man muss auch andere Aspekte berücksichtigen, die sich auf die Individuen beziehen. Aus diesem Grund wurden die Sinus-Milieus konzipiert, mit denen das Sinus Institut arbeitet. Dabei handelt es sich um Kategorien innerhalb von Zielgruppen. Man spricht also nicht nur von beispielsweise 14- bis 19-Jährigen, sondern versucht gezielt, innerhalb dieser auch noch spezifischere Gruppen und Personen anzusprechen.
Das früheste Beispiel eines Erfolgs der Arbeit des SINUS-Instituts ist der erste Kombi von Mercedes. Zu einer Zeit, in der Mercedes für Luxus-Limousinen stand, versuchte man, diesen Kombi ebenfalls als „Edel-Auto“ zu verkaufen. Doch fand Mercedes auf diese Art und Weise keine Abnehmer für sein Produkt. SINUS betrieb Zielgruppenanalyse und kam zu dem Ergebnis, den Kombi als Lifestyle Produkt zu vermarkten. Durch dieses Auto war es beispielsweise Surfern möglich, ihr Brett problemlos im Auto zu verstauen. Radsportler hatten nun einen fahrbaren Untersatz für ihren fahrbaren Untersatz, der Fahrten zur eigentlichen Tour ermöglichte. Das klingt heute banal, doch war dies damals ein revolutionärer Ansatz. Der Erfolg gab SINUS Recht: Das Auto hat sich besser verkauft, und SINUS gelang damit der Durchbruch.
Seitdem führt auf dem Gebiet der Marktforschung kein Weg an den Sinus-Milieus vorbei, welche Tautscher ausführlich vorstellte. Dabei gab er den Medien- und Wirtschaftspsychologie-Studierenden interessante Einblicke in die Herangehensweise des SINUS-Instituts.
Alle 10 Jahre werden die Sinus-Milieus an die Veränderungen der Gesellschaft angepasst. Psychologie-Professor Sven Dierks war umso stolzer, als Zielgruppenexperte Tautscher exklusiv vor seinen Studierenden die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf das Marketing erläuterte.
Professor Dierks arbeitete oft mit SINUS zusammen und wies darauf hin, wie tief der sozialpsychologische Ansatz der Sinus-Zielgruppendefinition mittlerweile im Marketing verankert sei. Dierks bedankte sich bei Tautscher mit dem Hinweis, dass es nicht selbstverständlich sei, wenn sich der Geschäftsführer eines so bedeutenden Instituts wie SINUS zwei Stunden Zeit nimmt, um Studierenden Rat und Auskunft zu geben.