Ringvorlesung: Fakes, Fakten und Vertrauen
Zum Abschluss der Sommersemester-Ringvorlesung zum Thema „Transformation in Medien, Kommunikation und Wirtschaft“ hat Dr. Marco Bertolaso über Fakten und Vertrauen, Handwerk und Haltung im Journalismus referiert. Der Nachrichtenchef des Deutschlandfunks warnte am 28. Juni in seiner Zoom-Vorlesung vor Zuspitzung und Schlagworten. Besser seien ein „Mut zur Komplexität“ und Aufklärung über Hintergründe.
Auf Einladung des Fachbereichs Journalismus und Kommunikation spannte Marco Bertolaso den Bogen von der gesellschaftspolitischen Aufgabe des Journalismus über das sinkende Vertrauen in Medienangebote bis zur Aufmerksamkeitsökonomie. Mit Verweis auf die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen machte der Nachrichten-Experte deutlich, dass die Corona-Pandemie zwar vorübergehend zu steigendem Vertrauen in den Journalismus geführt habe. Danach seien die Zustimmungswerte im vergangenen Jahr aber wieder gesunken. Dies liege auch daran, dass der Ukraine-Krieg zu einem polarisierten Meinungsklima führe. Marco Bertolaso argumentierte, dass Medienvertrauen häufig und empirisch nachweisbar vom Agieren politischer Akteure und deren Kommunikationskultur abhänge. Sinke die Identifikation mit dem demokratischen System, erodiere auch das Medienvertrauen.
Sinkendes Medienvertrauen und fehlende Diversität
„Medienvertrauen korreliert mit dem Vertrauen in das politische System“, sagte Marco Bertolaso. Während sich früher gesellschaftliche Kritik eher auf einen „zu linken“ oder „zu rechten“ Journalismus einzelner Tendenzmedien oder auch öffentlich-rechtlicher Angebote bezogen habe, werde heute oft der gesamte Journalismus pauschal in Zweifel gezogen. Im Vergleich zu vielen Ländern weltweit, in Europa etwa zu Ungarn, Polen oder auch Großbritannien, liege aber das Vertrauen in deutsche journalistische Medien noch immer recht hoch. Soziale Online-Netzwerke verzeichneten allerdings als Nachrichtenquellen eine geringere Glaubwürdigkeit. Dass viele Menschen die eigene Wirklichkeit nicht im Journalismus widergespiegelt sähen, liege an einem „Repräsentanz-Problem“, kritisierte der Ringvorlesung-Gast. Es mangle vielen Redaktionen an Diversität. Das gelte ebenso für Menschen mit Migrationserfahrung wie für jüngere und ältere Bevölkerungsgruppen oder für Menschen in ländlichen Kommunikationsräumen fernab der Medienmetropolen. Vor allem in Ostdeutschland hätten viele Rezipient:innen das Gefühl, mit ihren Problemen nicht angemessen vom Journalismus wahrgenommen zu werden.