Ringvorlesung: Neues zu „#UseTheNews“

12. Mai 2022

Was sind Fakten und was Fake News? Welchen Wert haben welche Nachrichten und was hat das mit Journalismus zu tun? Wie gehen wir mit Des- und Misinformation um? Zum Auftakt der Media University-Ringvorlesung im Sommersemester 2022 berichtete Meinolf Ellers, Chief Digital Officer der Deutschen Presse-Agentur (dpa), in einer Webkonferenz über das Projekt „# Use the News“ und darüber, wie sich Nachrichtenkompetenz steigern lässt.

„Wir alle laufen Nachrichtenströmen hinterher“, sagte der Mann, der für Deutschlands größte Nachrichtenagentur das digitale Geschäft verantwortet. Meinolf Ellers verwies auf die nie versiegende Informationsflut von Online-Services, Social Media und Nachrichten-Apps. Folgen dieser Entwicklung seien oft Orientierungsverlust und Überforderung, Nachrichtenmüdigkeit („news fatigue“) oder gar das Bestreben, sich gegen Nachrichten abzuschotten („news avoidance“). Vor allem bei jüngeren Menschen zeichne sich außerdem eine Art Nachrichten-Analphabetismus („news illiteracy“) ab, also die Unfähigkeit, Fakten und Erfundenes zu unterscheiden und bewerten zu können. Das alles gefährde auf Dauer unsere Demokratie, deren Grundlagen politische Meinungsbildung und Diskursfähigkeit seien, warnte Meinolf Ellers. Verliere darüber hinaus Journalismus an Relevanz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen, setze dies die klassische Medienbranche und damit auch den Journalismus unter Druck.

Warnung vor der „Nachrichtenwüste“

Als Beispiele für die durch die Digitalisierung ausgelöste Veränderung der Medienwelt nannte Meinolf Ellers die enormen Auflagenverluste von Regional- und Lokalzeitungen. In den USA gebe es bereits große Gebiete ohne jegliche Lokalzeitungen („news deserts“). Printmedien seien vor allem für junge Rezipient:innen, die immer und überall Zugang nach Informationen suchen, kaum noch interessant. Während Zeitungen früher Grundvoraussetzung für lokale Informationen waren („Need-Produkt“), seien sie inzwischen nur noch eine von mehreren Optionen, um Nachrichten zu erhalten („Want-Produkt“). Wer heute aktuelle Informationen benötige, verlasse sich häufig auf die Algorithmen von Google oder Facebook. Die aber, so kritisierte der News-Experte, seien nicht Teil einer demokratischen Infrastruktur, sondern als Elemente von Geschäftsmodellen vor allem darauf ausgerichtet, große Aufmerksamkeit und Reichweite zu erzielen.
Hatte Media University-Kanzler Prof. Dr. Ronald Freytag bei seiner Begrüßung bereits darauf hingewiesen, dass sich viele Hoffnungen, die einst mit dem Internet verbunden waren, nicht erfüllt haben, so kritisierte auch Meinolf Ellers, das Ziel der digitalen Ökonomie sei eben nicht, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. „Die Entfremdung zu Nachrichten wächst“, lautete der Befund des dpa-Experten für die Digitalwirtschaft. Um dies zu ändern, sei vor zwei Jahren die Initiative # Use the News gestartet worden. Mit dem Projekt gehen die dpa und Partner aus Medien und Medienforschung der veränderten Nachrichtennutzung auf den Grund und entwickeln neue Informationsangebote speziell für unter 30-Jährige. Meinolf Ellers berichtete von Ergebnissen einer bundesweiten Studie des Hamburger Leibniz-Institutes. Dabei habe sich herausgestellt, dass viele 14- bis 24-Jährige gar nicht verstehen würden, was Nachrichten mit ihrem Leben zu tun hätten oder warum sie auf Journalist:innen „hören“ sollten.

Journalismus muss sich mehr erklären

Die Initiative # Use the News versteht sich als übergreifendes Projekt zur Förderung von Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz, speziell unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, müsse künftig stärker differenziert werden, empfahl Meinolf Ellers. Es gebe nicht nur die journalistisch gut Informierten, sondern auch Menschen, die sich zwar allgemein für Informationen interessieren, dabei aber auch für Desinformation anfällig seien. Einige nähmen an, relevante Informationen würden sie automatisch erreichen, andere wiederum würden sich für Nachrichten nicht interessieren oder gar glauben, dass Nachrichten ihnen schaden könnten. Umso entscheidender sei es, die Frage zu beantworten, warum Journalismus und Nachrichten wichtig seien, lautete die Schlussfolgerung des dpa-Experten. Journalismus solle sich der jungen Zielgruppe besser erklären, müsse transparenter arbeiten, müsse gesellschaftliche Prozesse moderieren und zum „Anwalt des Gesprächs“ (Peter Glotz) werden. 
„Wir müssen in den Kopf des Nutzers“, regte der dpa-Manager an, zu ergründen, warum bestimmte Inhalte bei einigen Menschen auf Interesse stießen, bei anderen hingegen gar nicht.